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Voorkant Grondin 'Hermeneutik' Jean GRONDIN
Hermeneutik (vert. van L'Hermeneutique van 2006 / 2008 door Ulrike Blech)
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2009, 136 blzn.
ISBN-13: 978 38 2523 2023

(7) Einführung - Was Hermeneutik alles sein kann

Het begrip 'hermeneutiek' wordt vaak in samenhang gebruikt met postmodernisme en relativisme (zoals in 'er is geen waarheid, alles is interpretatie).

"Dennoch - daran werden wir immer wieder erinnern - ist diese Auffassung genau dem entgegengesetzt, was Hermeneutik immer sein wollte, nämlich eine Wahrheitslehre im Interpretationsbereich. Die klassische Hermeneutik wollte tatsächlich Regeln aufstellen, um Willkür und Subjektivismus in den Fächern, die mit Interpretation zu tun haben, zu bekämpfen. Eine Hermeneutik, die sich Willkür und Relativismus verschreibt, verkörpert folglich einen Widersinn, den man sich ausgeprägter nicht denken kann. Dabei verlief der Weg von der klassischen Auffassung zur »postmodernen« Hermeneutik nicht ganz ohne Logik. Er ist verbunden mit einer gewissen Erweiterung des Interpretationsrahmens, die aber nicht notwendig zum postmodernen Relativismus führt."(8)

Er ontstonden drie hoofdbetekenissen vanuit het hermeneutische denken van Gadamer en Ricoeur:

"Von da an wirkten Gadamers und Ricoeurs Gedanken in einem Großteil der intellektuellen Debatten fort, die während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Richtpunkte setzten (Strukturalismus, Ideologiekritik, Dekonstruktion, Postmoderne) - Rezeptionen, die also auch Teil dessen sind, was sich als die »hermeneutische Bewegung« charakterisieren ließe. Indes, die hermeneutischen Ansätze Gadamers und Ricoeurs und ihrer Erben berufen sich oft auf die frühere Tradition der Hermeneutik, als diese noch keine universelle Interpretationsphilosophie bezeichnete, sondern lediglich die Kunst, Texte richtig zu deuten."(9)

De eerste ("Hermeneutik als normative Hilfswissenschaft für die auslegenden Wissenschaften" - 10):

"Im klassischen Sinn des Wortes bezeichnete »Hermeneutik« einmal die Kunst, Texte richtig zu deuten. Diese Kunst hatte sich hauptsächlich in Disziplinen entfaltet, die mit der Interpretation heiliger oder kanonischer Texte zu tun hatten: in der Theologie (die eine hermeneutica sacra ausgearbeitet hat), in der Rechtswissenschaft (hermeneutica iuris) und der Philologie (hermeneutica profana). Die »Hermeneutik« erfreute sich dabei einer Hilfsfunktion, indem sie einem Interpretationsverfahren zur Seite stand, das immer dann eine Auslegungshilfe brauchte, wenn es sich um zweideutige oder anstößige Stellen handelte. Ihre Absicht war durchaus normativ: Sie bot Regeln, Richtlinien oder Kanones an, die eine gute Textauslegung ermöglichten." [mijn nadruk] (9)

De tweede komt van Dilthey die hermeneutiek ziet als

"methodologische Grundlagenreflexion über den Wahrheitsanspruch und den wissenschaftlichen Status der Geisteswissenschaften."(11)

De derde (in zekere zin al bij Nietzsche en later bij Heidegger)

"Deren Grundidee (die beim späten Dilthey angedeutet ist) ist, dass Verstehen und Auslegung nicht nur in den Geisteswissenschaften anzutreffende Methoden sind, sondern grundlegende Vorgänge, die man mitten im Leben selbst findet. Interpretation erscheint damit immer stärker als Wesensmerkmal unserer Welterfahrung."(11)

"Die meisten großen Vertreter der zeitgenössischen Hermeneutik (Gadamer, Ricoeur und ihre Nachfolger) stehen in der Nachfolge Heideggers, verfolgen aber seinen »direkten Weg« der Existenzphilosophie nicht wirklich. Stattdessen nehmen sie den Dialog mit den Geisteswissenschaften wieder auf, den Heidegger mehr oder weniger hinter sich gelassen hatte. Sie knüpfen wieder an Schleiermachers und Diltheys Tradition an ... "(11)

(13) I - Die klassische Auffassung von Hermeneutik

"Der Begriff hermeneutica taucht erst im 17. Jahrhundert auf; der Straßburger Theologe Johann Conrad Dannhauer erfand ihn zur Bezeichnung für etwas, was man vorher Auslegungslehre oder Auslegekunst nannte."(13)

"Das aus dem Lateinischen entlehnte Wort »Interpretation« stammt vom griechischen Verb hermeneuein ab, das zwei Hauptbedeutungen hat: Das Wort bezeichnet sowohl den Ausdrucksprozess (die Sprechweise, den Ausdruck und Vortrag) als auch den Erklärungsprozess (oder die Übersetzung). In beiden Fällen geht es um das Vermitteln von Sinn, das in zwei Richtungen möglich ist. Die Vermittlung kann 1. vom Gedanken ausgehen und zur Rede führen oder 2. von der Rede ausgehend zum Gedanken zurückfiihren. Heute sprechen wir von Interpretation nur noch, um den letzteren Vorgang zu bezeichnen, der von der Rede zum dahinter stehenden Gedanken führt. Die Griechen aber verstanden schon die Sprechweise selbst als »hermeneutischen« Prozess der Sinnvermittlung, der den Ausdruck und die Übersetzung der Gedanken in Worte bestimmt." [mijn nadruk] (13-14)

"Die Regeln der Doctrina christiana [interpretatieregels van Augustinus voor het begrijpen van de bijbel] - nach rhetorischem Vorbild - wurden zur Grundlage der gesamten mittelalterlichen Exegese. Weitgehend wieder aufgenommen von den ersten großen Theoretikern der protestantischen Hermeneutik (Melanchthon, Matthias Flacius, Dannhauer), konnten sie sich bis hin zu Schleiermacher, mit dem »Hermeneutik« eine neue Bedeutungsfülle bekam, behaupten."(16)

(17) II - Das Entstehen einer universelleren Hermeneutik im 19. Jahrhundert

1. Friedrich Schleiermacher (1768-1834)

"Wichtig zu wissen ist, dass Schleiermacher in Halle ausgebildet wurde, einer Hermeneutik-Hochburg des 18. Jahrhunderts, wo die großen Denker der rationalistischen und pietistischen Hermeneutik des 18 . Jahrhunderts gelehrt hatten."(18)

"Aufgrund der Vorlesungsmanuskripte und Notizhefte seines Lehrers veröffentlichte sein Schüler Lücke 1838 eine Zusammenfassung der schleiermacherschen Ideen unter dem Titel Hermeneutik und Kritik mit besonderer Beziehung auf das Neue Testament, ein Titel, der ihn der klassischen Hermeneutik-tradition zuweist (»Kritik« bezeichnet hier die philologische Disziplin, die sich mit textkritischer Edition befasst)."(18)

"»Gesucht wird dasselbe in Gedanken, was der Redende hat ausdrücken gewollt«. Hermeneutik ist so als die Umkehrung der Rhetorik zu verstehen."(19)

"Hier wird eine allgemeine Hermeneutik ins Auge gefasst, die sich nicht auf einen begrenzten Bereich beschränkt, wie bei den speziellen Hermeneutiken des Neuen Testaments oder der Jurisprudenz. Und wenn die Hermeneutik einen universellen Status zu erwerben hat, dann in ihrer Eigenschaft als Kunst (oft: Kunstlehre) des Verstehens."(20)

"So weist Schleiermacher den Weg zu einer entschieden methodischen Auffassung der Hermeneutik (die Gadamer ebenfalls kritisieren wird), um die Gefahr des möglicherweise universellen Missverständnisses in Grenzen zu halten. Damit hört Hermeneutik auf, eine bloße Hilfsfunktion innezuhaben, und wird stattdessen zur conditio sine qua non jeglichen Verstehens, das diesen Namen verdient. Sie wird im strengen Sinne eine »Kunstlehre« des Verstehens. Deshalb nimmt das grundsätzliche Verfahren der Hermeneutik oder des Verstehens die Form einer Rekonstruktion an."(21)

"Verstehen bedeutet von jetzt an, »das Entstehen von ... zu rekonstruieren« (eine entstehungsgeschichtliche und psychologisierende Strömung, die übrigens die genetischen Interpretationen charakterisiert, deren Blütezeit im 19. Jahrhundert beginnt)."(22)

"Damit gibt Schleiermacher der Hermeneutik eine psychologische Ausrichtung. So sagt er in seinen Reden von 1829, dass »die Aufgabe der Hermeneutik darin besteht, den ganzen inneren Verlauf der komponierenden Tätigkeit des Schriftstellers auf das vollkommenste nachzubilden«."(22)

2. Wilhelm Dilthey (1833-1911)

"Diese Methodenreflexion hofft Dilthey mittels eines kantisch inspirierten Programms herzustellen, nämlich mit Hilfe einer »Kritik der historischen Vernunft«. Dilthey hat den Plan dazu im ersten Band seiner Einleitung in die Geisteswissenschaften von 1883 dargelegt, dem einzigen Band, der zu seinen Lebzeiten erschien. Indem Dilthey dieses anspruchsvolle Programm einer »Kritik der historischen Vernunft« verteidigt, hundert Jahre nach Kants Kritik der reinen Vernunft, verspricht er eine »logische, epistemologische und methodologische« Fundierung der Geisteswissenschaften."(25)

"Dilthey kämpft dabei gegen zwei starke Gegner: einerseits gegen den empirischen Positivismus Auguste Comtes oder John Stuart Mills, denen zufolge es keine spezifischen Methoden fiir die Geisteswissenschaften gibt (diese sollten auf die naturwissenschaftlichen Methoden zurückgreifen, wenn sie überhaupt Wissenschaften sein wollen), andererseits gegen die »Geschichtsmetaphysik« der idealistischen Philosophie, besonders Hegels, der den Verlauf der Geschichte apriori zu rekonstruieren vorgab, den Bedingungen seines eigenen philosophischen Systems entsprechend. Ähnlich wie Kant es gemacht hatte, als er zugleich gegen den empirischen Skeptizismus Humes und gegen die schwärmerische Metaphysik kämpfte, versucht nun Dilthey, das Schiff der historischen Vernunft zwischen den Klippen des Positivismus und des Idealismus hindurchzusteuern."(25-26)

"Ziel der Interpretation ist es, das Singuläre zu verstehen, ausgehend von den äußeren Zeichen: »Wir nennen den Vorgang, in welchem wir aus Zeichen, die von außen sinnlich gegeben sind, ein Inneres erkennen: Verstehen.« Dieses Innere, das es zu verstehen gilt, entspricht dem Erlebnis eines Autors, zu dem wir nicht unmittelbar, sondern nur über äußere Zeichen Zugang haben. Der Vorgang des Verstehens besteht demnach darin, in sich das Erlebnis des Autors »neu zu schaffen«, ausgehend von seinen Ausdrücken. Durch das Zurückgehen vom Ausdruck zum Erlebnis, vom Äußeren zum Inneren, kehrt hier das Verstehen den Schöpfungsvorgang um, gerade so wie die hermeneutische Aufgabe als Umkehrung des Prozesses, der zum rhetorischen Ausdruck führte, gesehen werden konnte. Die Trias von Erlebnis, Ausdruck und Verstehen gilt für die Hermeneutik der Geisteswissenschaften als grundlegend. Wenn dem so ist, könnte die Hermeneutik eine neue Funktion bekommen, deutet Dilthey an. Die »Hauptaufgabe« der Hermeneutik, die weiterhin als »Kunstlehre des Verstehens schriftlich fixierter Lebensäußerungen« verstanden wird, wird darin bestehen, »gegenüber dem beständigen Einbruch romantischer Willkür und skeptischer Subjektivität in das Gebiet der Geschichte die Allgemeingültigkeit der Interpretation theoretisch [zu] begründen, auf welcher alle Sicherheit der Geschichte beruht«."(27-28)

"Diltheys folgenschwere Grundeinsicht - die in eine universelle Philosophie historischen Lebens münden sollte, von der das Spätwerk Zeugnis ablegt - war, dass Verstehen und Erklären nicht nur spezifische Methoden der Geisteswissenschaften sind, sondern ursprünglichere Formen der Suche nach Sinn und Ausdruck, die bereits das Leben selbst charakterisiert."(28)

"Was sich bei Nietzsche wie in den letzten Arbeiten Diltheys andeutet, ist folglich ein neues Gesicht der Universalität der Hermeneutik oder unserer durch und durch interpretativen Welterfahrung; gerade diese universelle Dimension der hermeneutischen Erfahrung stellt aber Diltheys Traum einer epistemologischen Fundierung der Geisteswissenschaften in Frage, die es ihnen erlauben würde, die Allgemeingültigkeit der Interpretation ein rur alle Mal zu sichern. Für die meisten Erben Diltheys (Heidegger und Gadamer) wird sich dieser Traum als unvereinbar mit der grundsätzlichen Geschichtlichkeit des Lebens erweisen, in die Diltheys letzte Arbeiten einmündeten. Diese wird die Hermeneutik mit neuen Aufgaben konfrontieren."(29)

(30) III - Die existenziale Wende der Hermeneutik bei Heidegger

1. Eine Hermeneutik der Faktizität

"Es wird kaum erwähnt, aber in der Tat war Heidegger der Erste, der aus der Hermeneutik eine Philosophie machte, als er sein Denken in einer seiner Vorlesungen des Jahres 1923 (die er in Sein und Zeit, aber auch noch 1959 zitiert) als eine »Hermeneutik der Faktizität« präsentierte. Faktizität bezeichnet hier das konkrete, jeweilige Dasein, das für uns zunächst kein Gegenstand der Anschauung ist, sondern ein Abenteuer, in das wir geworfen werden und für das wir ausdrücklich wach werden können oder nicht."(31)

2. Die Hermeneutik des Daseins in Sein und Zeit

"Aber wie kann man das »sehen lassen«, was sich nicht zeigt und was Gegenstand der Ontologie ist? Heidegger löst das Dilemma, indem er auf die Hermeneutik rekurriert, wohl verstanden als eine Hermeneutik des Daseins. So erfährt die Phänomenologie eine »hermeneutische Wende«."(35)

"Um das doppelte Vergessen aufzuheben, ist eine Hermeneutik nötig, d.h. ein »destruktives« (destruktiv immer im positiven Sinn eines Abtragens der überlagerten Schichten zu verstehen, das das verdeckte Phänomen zu befreien versucht) Aufdecken: einerseits eine Hermeneutik des Daseins selbst, die es aus seiner Selbstverbergung herausholt; andererseits eine Hermeneutik des philosophischen Vergessens des Seins, die sich unter dem Programm einer »Destruktion« der Ontologiegeschichte ankündigt."(36)

3. Eine neue Hermeneutik des Verstehens

"Zuerst gibt es Verstehen, dann die Auslegung, wobei das Verstehen dahin gelangt, sich selbst zu verstehen, gleichsam seiner Voraussetzungen gewahr zu werden. Verstehen ist versehen mit einer dreifachen Struktur, der es gelingt, über sich klar zu werden in dem, was Heidegger »Auslegung« nennt und als erläuternde Interpretation begreift. Jedes Verstehen besitzt:
1. eine »Vorhabe«, einen Horizont, von dem aus es versteht;
2. eine »Vorsicht«, denn es vollzieht sich in einer bestimmten Absicht oder Richtung;
3. einen »Vorgriff«, denn es entfaltet sich in einer Begrifflichkeit, die das vorwegnimmt, was es zu verstehen gibt, und die vielleicht nicht unschuldig ist.
Zweck der erklärenden Auslegung ist es, diese Struktur der Vorwegnahme und das, was sie mit einschließt, für sich selbst und als solche hervortreten zu lassen."(39-40)

"Es geht nicht darum, die Bedeutung eines Textes oder die Gedanken eines Verfassers zu erläutern, sondern darum, das Vorverständnis des Daseins zu erhellen, um zu bestimmen, ob es eigens erfasst war oder nicht."(41)

4. Der Zirkel des Verstehens

"Nach Heidegger gründet jedes Verstehen auf Vorwegnahmen, die Von der Sorge um das eigene Dasein selbst diktiert werden. Dasein versteht sich folglich von einer bestimmten Vorhabe, Vorsicht und einem Vorgriff aus, die der Auslegung harren. Anders gesagt, es gibt keine tabula rasa des Verstehens. Gerade dieses Ideal der tabula rasa des Verstehens hatte sich als Norm für die wissenschaftliche Methodologie der Hermeneutik des 19. Jahrhunderts empfohlen, besonders bei Dilthey: Die Hermeneutik versteht sich geradezu als die Disziplin, die den Subjektivismus der Interpretation ausräumen muss, um den Anspruch der Geisteswissenschaften auf Objektivität oder Allgemeingültigkeit zu begründen. Dabei wird hier vorausgesetzt, dass man nur »objektiv« interpretieren kann, wenn man die Vorurteile des Interpretierenden und seiner Zeit ausräumt."(41)

5. Heideggers spätere Hermeneutik

(45) IV - Bultmanns stillschweigender Beitrag zur Entstehung der nachheideggerschen Hermeneutik

"Vielleicht war der Theologe Rudolf Bultmann (1884-1976) der erste Denker von Format, der zeigte, wie die heideggersche Hermeneutikauffassung in den Dienst der klassischeren Fragen der Textauslegung gestellt werden könnte."(45)

"Für Bultmann kann das auf die Sache eines Textes zielende Verstehen nicht umhin, vom Vorverständnis des Interpreten gelenkt zu werden. Dieses Vorverständnis gründet sich seinerseits auf das Leben dessen, der versteht ..."(47)

"Verstehen könne man nämlich nur, indem man an dem, wovon die Rede ist, teilnimmt."(47)

"Diese Seinsmöglichkeit im Zentrum des hermeneutischen Problems manifestiert sich an den zwei Eckpunkten des Verstehens, das sich von nun an als Sache eines Zwiegesprächs erweist: Ich verstehe und gehe dabei immer von meiner Existenz aus, aber das, was ich verstehe, ist auch eine Existenzmöglichkeit, die durch den Text offenbar wird. Paul Ricoeur, durch Bultmanns Denken stark beeinflusst, wird später sagen, dass sich dem Verstehen durch das Werk eine Welt eröffnet, in der ich wohnen kann."(48)

(50) V - Hans-Georg Gadamer - Eine Hermeneutik des Verstehensgeschehens

1. Eine nicht methodologische Hermeneutik der Geisteswissenschaften

"Gadamer seinerseits wendet dann die positivere Wertung des hermeneutischen Zirkels auf die Problematik einer geisteswissenschaftlichen Hermeneutik an, die Heidegger überwunden haben wollte. Muss nicht indes Heideggers Auffassung (des hermeneutischen Zirkels) Konsequenzen für eine Hermeneutik haben, die dem Wahrheits anspruch der Geisteswissenschaften Gerechtigkeit widerfahren lassen will? Gadamer geht gewiss von Heidegger aus, aber er tut es, um die Fragestellung Diltheys nach dem Wahrheitsanspruch der Geisteswissenschaften zu erneuern."(51)

"Ist nicht der Beobachter immer auf irgendeine Weise eingebunden, miteinbezogen in das, was er versteht?"(52)

"Das humanistische Wissen zielt nicht primär darauf, wie die methodischen Naturwissenschaften objektivierbare und messbare Ergebnisse hervorzubringen; in ihm geht es eher um die Bildung und Erziehung des Menschen durch die Entwicklung der Urteilskraft. In diesem Bildungsideal, in dem sich ein sensus communis herausbildet - also sowohl ein allen gemeiner Verstand als auch ein Sinn für das, was allgemein gültig und gerecht ist -, geschieht eine »Erhebung zum Universellen«, die aber nicht mit dem Allgemeinen des naturwissenschaftlichen Gesetzes gleichzusetzen ist. Vielmehr geht es hier um eine Erhebung »über die Borniertheit der Interessen und die Privatheit der Vorlieben«, die offen macht für andere Horizonte und lehrt, »Abstandnahme von sich selbst« zu gewinnen. Ist dies nicht ein »Erkenntnisweg«, der das Individuum mit einbezieht und der Modellcharakter für die Geisteswissenschaften haben könnte? Dass dieses Modell für uns seine zwingende Kraft verloren hat, liegt daran, dass der wissenschaftliche Positivismus ein einziges Wissensmodell durchgesetzt hat: das der methodischen, vom Interpretierenden unabhängigen Erkenntnis."(53)

2. Das Modell der Kunst - das Geschehen des Verstehens

"Niemand vermag gleichgültig gegenüber einem Kunstwerk zu bleiben, das uns seiner Wahrheit aussetzt. Diese Offenbarung, die die Wirklichkeit - »verklärt« und »wiedererkannt« in einem Kunstwerk - verwandelt, transformiert auch uns. Das Kunstwerk sagt mir immer wie das Gedicht von Rilke, das Gadamer gern anführt: »Du mußt dein Leben ändern!«
Genau dieses Modell des Kunstwerks mit seiner einzigartigen Strenge wendet Gadamer auf die Geisteswissenschaften an. Nach Gadamer ist die Wahrheit in den Geisteswissenschaften eher Sache eines »Geschehens« (das uns ergreift und uns Wahrheit entdecken lässt) als die berechenbare Konsequenz einer Methode."(56)

3. Vorurteile als Bedingungen des Verstehens - Rehabilitierung der Tradition

"Verstehen ereignet sich, es wird hervorgebracht von gewissen Erwartungen und Zielen, die es aus der Vergangenheit und der Gegenwart übernommen hat, die es aber nicht immer auf Distanz halten kann. Auch wenn Gadamer das klassische und heideggersche Ideal einer kritischen Prüfung der Vorurteile beibehält, scheint es ihm doch illusorisch, die Wahrheit des Verstehens nach dem Ideal einer von Vorurteilen völlig freien Erkenntnis auszurichten. Ein solches Ideal wird seiner Meinung nach der grundlegenden Geschichtlichkeit des Bemühens um Verstehen nicht gerecht.
Bei Gadamer ist es eben diese Geschichtlichkeit, die die Hoffnung auf eine Lösung der kritischen Hermeneutik-Frage erlaubt: Wie sind die berechtigten Vorurteile (die die Interpretation ermöglichen) zu unterscheiden von den unberechtigten, die zu überwinden Pflicht der kritischen Vernunft ist?"(58)

4. Die Wirkungsgeschichte und ihr Bewusstsein